"Mein Bruder..." Für einmal ohne Lex: Die weiteren Karl-May-Filme der 60er
Nicht alle Karl-May-Filme verliessen sich auf Lex Barker als Publikumsmagnet. Zwischen 1964 und 1966 entstanden fünf weitere Kinofilme , die ich an dieser Stelle kritisch würdigen möchte. Im Speziellen die Winnetou-Filme mit Stewart Granger und Rod Cameron haben nämlich in nicht zu unterschätzendem Masse zu meinem Interesse an dem Schauspieler Lex Barker beigetragen.
 
Unter Geiern (1964)

Regie: Alfred Vohrer
Drehbuch: Eberhard Keindorff, Johanna Sibelius; nach dem gleichnamigen Roman von Karl May
 
Cast: Stewart Granger (Old Surehand), Pierre Brice (Winnetou), Elke Sommer (Annie Helmers), Götz George (Martin Bauman), Walter Barnes (Bauman sr.), Mihail Baloh (Weller)

Von den drei Winnetou-Filmen mit Surehand Stewart Granger ist 'Unter Geiern' der am monumentalsten angelegte. Grossräumige Wiesenlandschaften, Baumans Ranch, das Geier-Tal mit den kargen Felsen und die weite Ebene mit der Wagenburg - der Film verfügt über zahlreiche wiederkehrende Drehorte, was ihm eine eigene, logische Dynamik verleiht. Rache und Versöhnung, Rassismus und Respekt sind die ideellen Pole, welche den Film mit bestens gelaunten Darstellern dramaturgisch kennzeichnen. Surehand degradiert den in den Shatterhand-Filmen melancholischen Edelmut ausstrahlenden Winnetou zwar zum Blutsbruder-Kumpel, als charismatischer Coolman taugt der unterschätzte Hollywood-Mime Granger jedoch bestens zur sympathischen Heldenfigur. Zu ihm gesellen sich der einmal mehr hochmotivierte Götz George und die hinreissende Blondine Elke Sommer. Urgestein Walter Barnes ist in seiner vermutlich besten Karl-May-Rolle zu sehen, indem er sich als Bärenjäger Bauman gekonnt vom Paulus zum Saulus und wieder zurück wandelt. Ein exponierter Hauptschurke fehlt für einmal, da Sieghardt Rupp zwar über eine besonders garstige Stimme, nicht jedoch über das beängstigende Charisma früherer Bösewichte verfügt. Dass die Guten den Kampf für einmal also gegen eine horizontal konstituierte Banditen-Meute führen, zeichnet den Unterhaltungs-Western durchaus aus und hebt ihn von der Stereotypie anderer Winnetou-Filme ab. 'Unter Geiern' weiss mit starken Darstellern und einer lässigen Story gut zu gefallen. 7/10

 

Der Ölprinz (1965)

Regie: Harald Philipp
Drehbuch: Fred Denger, Harald Philipp; nach dem gleichnamigen Roman von Karl May
 
Cast: Stewart Granger (Old Surehand), Pierre Brice (Winnetou), Harald Leipnitz (Ölprinz), Walter Barnes (Bill Campbell), Macha Méril (Lizzy), Heinz Erhardt (Kantor Hampel), Terence Hill (Richard Forsythe)

Nicht der wohlklingende Name eines edelmütigen Helden ziert den Titel dieses Winnetou-Filmes, sondern derjenige des geldgierigen Ölprinzen, der wertlose Minen für teures Geld verkauft. Das Schurkenprofil des Protagonisten wurde may-echt übernommen. Harald Leipnitz, den man vor allem bartlos als Kommissar in deutschen Krimis kennt, überzeugt mit arroganter Eleganz. Letztere wird von dem guten Soundtrack Martin Böttchers passend untermalt. Dramaturgisch ist die anfängliche Exposition der Hauptfiguren, des Bösewichts, der Blutsbrüder und des Siedler-Trecks gut gelungen. Der Treck um Rauhbein Walter Barnes, Heinz Erhardt und die süsse Macha Meril präsentiert familiäre Intimität, mit welcher die skrupellosen Verbrecher überhaupt nicht korrelieren, so dass sich ein dramatischer Wettlauf entwickelt. Terence Hill als Richard Forsythe spielt bei Karl May erneut eine interessante Rolle. Stewart Granger ist - wie bereits bei 'Unter Geiern' - der tragende Held des Filmes, während sich Winnetou in seiner neuen Kompetenz als Seelsorger des Siedler-Clans übt. Es gilt auszuharren und auf den Freund zu vertrauen. Dies gelingt dem frohmutigen Kantor Hampel (köstlich: Heinz Erhardt) am besten, womit er letztlich zum Helden des Filmes wird. Handwerklich wie dramaturgisch ist 'Der Ölprinz' nicht der beste Surehand-Film. Surehands Beweisführung und Blossstellung des Mörders fällt über logische Stolpersteine. Der Film bietet aber beschauliche Unterhaltung mit überzeugenden Mimen und befriedigender Werktreue. Ein Detail am Rande: Regisseur Harald Philipp scheint in seinen Filmen den Habitus zu verfolgen, seine Blutsbrüder zum Schluss zu Brautführern zu verpflichten (siehe auch Apanatschi). 7/10

 

Old Surehand (1965)

Regie: Alfred Vohrer

Drehbuch: Fred Denger, Eberhard Keindorff; nach dem gleichnamigen Roman von Karl May

 
Cast: Stewart Granger (Old Surehand), Pierre Brice (Winnetou), Larry Pennell (Generell Jack O'NNeal), Leticia Roman (Judith O'Brian), Terence Hill (Toby), Vladimir Medar (Ben O'Brian)

Der erste nach Winnetous Hinschied im dritten Teil der Trilogie produzierte Karl-May-Film beschert Pierre Brice in der Rolle des Häuptlings nur ein schales Comeback. "Old Surehand" versteht sich nämlich eher als fulminante One-Man-Show Stewart Grangers denn als mythische Auferstehungsinszenierung des friedliebenden Häuptlings. Am ärgsten kriegt er das zu spüren, als Surehand relativ kaltschnäuzig auf seine Unterstützung im finalen Kampf gegen den Generell verzichtet und stattdessen den trotteligen Old Wabble zum Showdown mitnimmt. Trotz solcher eher unsensiblen Szenen gelingt es Vohrer durchaus, Winnetou als mythische Randfigur, die dann aber doch ganz entscheidend in das Spiel eingreift, in Szene zu setzen. Trotzdem: es ist Stewart Granger als Old Surehand der diesem fahrigen Western den Stempel eines grundsoliden Unterhaltungswesterns aufdrückt. Im Vergleich mit den zwei anderen Surehand-Western wählt dieser Film eine neue Grundexposition der Helden. So werden die dem geübten Kinobesucher ja bereits eingehend bekannten Figuren Surehand und Wabble unter ihren vermeintlich bürgerlichen Namen Johnny Garden und Jeremy Sanders eingeführt. Dass just diese Namen der Phantasie der Drehbuchautoren und nicht etwa den Romanen Karl Mays entstammen, ist ein neuerlicher Beweis dafür, dass die Produzenten in diesem Fall einen rassigen, spannenden Western-Krimi der akuten Wertreue vorzogen. Stewart Granger stellt mit seinem selbstironischen, lässigen Spiel zwar all seine Mitakteure in den Schatten. Auf deren Erwähnung hier zu verzichten, wäre aber trotzdem nicht gerechtfertigt. Vladimir Medar als wackeres Urvieh erinnert mit seiner gemächlich-ulkigen Art durchaus an Stumpy aus "Rio Bravo". Letizia Roman ist desweiteren wohl das knackigste May-Girl der ganzen Kinoserie, während Terence Hill hier seine letzte, durchwegs routinierte Karl-May-Rolle spielt. Larry Pennell als elegant-schmieriger Gentleman und Erik Schumann als sympathischer Leutnant sind weitere charismatische Darsteller. Zwar gingen die Drehbuchautoren in diesem Film ambitionsloser ans Werk als früher; ihre Story verfügt aber trotz ihrer Einfachheit und Stereotypie über Spannungspotenzial. Der Komantschen-Häuptling Makimothe, den Dusan Antonijevic sehr eindringlich verkörpert, gesteht sich und den Mitstreitern nach langer Rachsucht eigene Fehler ein und ermöglicht so die Festnahme der räuberischen Banditenbande. Die Moral der Geschichte ist freilich nicht sonderlich komplex oder überraschend. Alfred Vohrer demonstriert damit aber einmal mehr, dass seine Federführung höchst unterhaltsamen Filmproduktionen allemal dienlich ist und dass ihm Karl May auch mehr liegt als beispielsweise seinem Zunftgenossen Harald Philipp. Dass ich hinsichtlich der Bewertungsziffer beim vorliegenden Film wohlwollender votiere, hängt vermutlich damit zusammen, dass "Old Surehand" mein erster Karl-May-Film war und mir der Spass an dieser gelungenen Produktion auch nach der x-ten Visite nicht vergehen will.  8/10

 

Das Vermächtnis des Inka (1965 / 1966)

  Regie: Georg Marischka
 

Drehbuch: Georg Marischka, Franz Marischka, Winfried Groth; nach dem gleichnamigen Roman von Karl May

   
  Cast: Guy Madison (Karl Hansen), William Rothlein (Haukaropora), Francisco Rabal (Gambusino), Rik Battaglia (Antonio Perillo), Geula Nuni (Graziella), Heinz Erhardt (Professor Morgenstern), Carlo Tamberlani (Anciano)

Dem Abenteuerfilm "Das Vermächtnis des Inka" blieb es bis dato versagt, aus dem Schatten der Winnetou- und Orient-Filme der Karl-May-Serie hervorzutreten, wenngleich die Aufmachung des Filmes zumindest an jene der späteren Winnetou-Filme problemlos heranreicht. Die Handlung spielt in Peru und - wie beim nördlichen Nachbarn aus Wildwest - geht es auch hier um das letzte Aufbäumen einer durch die weissen Einwanderer zerstörten Hochkultur. Der junge Inkaprinz Haukaropora soll - so will es sein Erzieher Anciano, von Carlo Tamberlani beeindruckend als religiöser Fundamentalist dargestellt - die letzten Inkas in den Krieg gegen die Weissen führen. In einen Krieg, der aussichtslos und sinnlos ist. Davon will ihn der Held, Karl Hansen, der Hoffnung in den jungen sensiblen Haukaropora setzt, überzeugen. Guy Madison, ein gutaussehender B-Westernheld aus Amerika und in zwei Lex-Barker-Filmen der böse Widersacher, überzeugt in der Rolle des standhaften, verbissenen doch immer sympathischen Karl Hansen, der das Pendant zum Wildwest-Shatterhand darstellt. Es ist schade, dass Guy Madison aufgrund der hohen Präsenz der Spass-Fraktion nicht zu der Anzahl Szenen kommt, die einem Filmhelden seines Profils gebührt. Die Humoristen, die bei Karl May selbstverständlich nicht fehlen dürfen, sind der wie immer köstliche Heinz Erhardt, sein sympathischer Compagnon Walter Giller, sowie der in seiner Rolle eher unglücklich inszenierte Chris Howland. William Rothlein als Inkaprinz und die erfrischende, jedoch gänzlich unbekannte Geula Nuni als Graziella geben ein ansehnliches Multi-Kulti-Paar. Rik Battaglia als häufig aktiver Winnetou-Schurke spielt in diesem Film die kleine, aber akzentuierte Rolle des politischen Rebellen und Stierkämpfers Antonio Perillo. Seine elegante Arroganz erblasst jedoch an der Seite des furiosen, gewissenlosen Bösewichtes Gambusino, dem der populäre Spanier Francisco Rabal engagiert sein Spiel widmet. Der farbenfrohe Abenteuerfilm weiss in mehrerlei Hinsicht zu gefallen. Da sind zum Beispiel auf der handwerklichen Ebene die tollen Aussenaufnahmen des Macchu Pichu, der geniale Soundtrack, sowie die spannende, historische Wahrheiten vorgaukelnde Story zu nennen. Eine Schwäche des Filmes liegt in der nicht immer überzeugend zurückgelegten Gratwanderung zwischen abenteuerlicher Epik und humoristischem Klamauk. Das Angst verbreitende Schreckensbild des Gambusino, der wortklauberische Fundamentalismus Ancianos, Karl Hansens Vehemenz in den Bemühungen, einen neuen Völkermord zu verhindern, und die romantische Beziehung des Prinzen mit Graziella - diese mythischen Motive kämen allesamt epischer zur Geltung, wäre da nicht oft der zwar durchaus sympathische, jedoch inmitten atmosphärischer Szenen etwas platt herbeirumpelnde Humor des Kabarettisten-Trios. Weniger wäre mehr gewesen, sprich: der Wortakrobat Heinz Erhardt hätte bereits gereicht. Der dramaturgische Höhepunkt ist eindeutig das Finale auf dem Macchu Pichu, in dem Hansen mit letzter Überzeugungskraft den Prinzen erfolgreich zum weltlichen Weg umstimmt und vom "heiligen Krieg" abbringt, worauf ihn Anciano erbost tötet. Bleibt die hypothetische Frage, ob denn die Ermordung des verräterischen Götzen wirklich gereicht hat, um das aufgewühlte, nach Rache sinnende Volk zu beruhigen und zum Frieden umzustimmen. Diese Frage lasse ich jedoch - bei der Visite des grossartig inszenierten Finales mit Karl Hansens ausdruckstarker Rede zur versammelten Inka-Gemeinde - gerne im Raum stehen und geniesse die pathetischen Bilder. "Das Vermächtnis des Inka" ist ein handwerklich nicht über alle Zweifel erhabener, summa summarum aber trotzdem zu Unrecht vernachlässigter Abenteuerfilm mit starken Darstellern (insbesondere: Madison, Rabal, Erhardt und Tamberlani) und  einer mitreissenden Story. Bleibt noch anzumerken, dass abrupte Schnittwechsel wohl auf unsorgfältige Kürzungen der TV-Version zurückzuführen sind. 7/10

   

Winnetou und sein Freund Old Firehand (1966)

Regie: Alfred Vohrer

Drehbuch: Harald G. Petersson, David DeReszke, C.B. Taylor; nach Motiven von Karl May

 
Cast: Rod Cameron (Old Firehand), Pierre Brice (Winnetou), Marie Versini (Nscho-tschi), Todd Armstrong (Tom), Harald Leipnitz (Silers), Rik Battaglia (Mendoza), Jörg Marquard (Jace Mercier)

Den vorliegenden Film als in der Tradition der Winnetou-Trilogie angelegte Wildwest-Romanze zu verstehen, ist aufgrund der Machart des Filmes unmöglich. Alfred Vohrers Ziel wird es - trotz der Präsenz des erprobten Drehbuchschreibers Petersson - auch nicht gewesen sein, Old Firehand als legitimen Nachfolger des edelmütigen Old Shatterhand zu positionieren. Firehand - von Cameron überzeugend dargestellt - mimt die charismatische Hauptfigur als rauhbeinigen, in kritischen Situationen jedoch immer staatsmännischen Bärenjäger mit gemütlicher Gesinnung. Wenngleich Shatterhand im Apanatschi-Film - absurderweise! - "Wir müssen Gewalt mit Gewalt beantworten" in die Menge ruft, während Cameron hier "Mord kann nicht mit Mord gesühnt werden" predigt, liegt der Film-Shatterhand - zumindest in den klassischen Filmen von Reinl - der May-Philosophie näher am Original als der vorliegende Film mit seiner zuweilen etwas ungehobelten Machart. "Winnetou und sein Freund Old Firehand" ist ein solider, ziemlich spannender Western mit einer guten Besetzung, viel Action und stringenter Dramaturgie. Als Bestandteil der Karl-May-Kinoserie schadet er dem Mythos jedoch mehr, als dass er ihm dient. Dass Nscho-tschi Shatterhand in "Winnetou 1" - aufgrund der vorangegangenen Liebelei mit Tom - nicht jungfräulich herzt, nähme - zählt man den Film zur Serie - der Tragik dieser Liebe reichlich Dimension weg. In Mayscher Film-Tradition gehalten ist die starke Besetzung. Leipnitz wirkt noch schurkischer als im "Ölprinz", Todd Armstrong gibt einen sympathischen  Sunnyboy, Rik Battaglia überzeugt als feuriger Polizist und Nadia Gray ist Firehands reife, doch nachwievor aparte Partnerin. Jörg Marquardt, ein heute in Vergessenheit geratener Jungschauspieler, der seinen zweiten nennenswerten Filmauftritt 1971 in der Lenz-Verfilmung "Deutschstunde" hatte, spielt die etwas dumme, doch letztlich nicht unsympathische Figur des Jace Mercier. Pierre Brice und Marie Versini bleiben - und das unterstreicht, was bereits bzgl. May-Nähe gesagt wurde - unter den Erwartungen und sind nur Randfiguren. Peter Thomas' Musik und Vohrers spitze Inszenierung, die sich szenenweise eng an Sergio Leone orientiert, sind erfreuliche Merkmale einer soliden Euro-Produktion, die zwar may-fremd ist, die dem Western-Freund aber trotzdem bleigeladene, solide Unterhaltung beschert.  6/10

 
© 2006 Texte  Christoph
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